
Schweinfurt – Eine durchaus fernsehtaugliche Geschichte landete im real existierenden Schweinfurter Amtsgericht. Strafrichterin Kathrin Lenhardt hatte es mit zwei Fällen von Nötigungen zu tun – in zwei nacheinender folgenden Verhandlungen, die jedoch das selbe Zusammentreffen betrafen. Auf der Autobahn A 70 bei Werneck fuhren am 26. Januar 2011 und damit exakt ein Jahr vor den Verhandlungen in westlicher Richtung mehrere Lkws zeitgleich mit einem Handwerksmeister aus Frammersbach, der mit seinem Pkw unterwegs war. Der 44-Jährige aus dem Landkreis Main-Spessart musste sich zuerst verantworten.
Folgendes soll laut Anklage geschehen sein: Gegen 21.30 Uhr überholte der Mann einen Sattelzug, hupte dabei, scherte rechts wieder ein und bremste auf rund 60 km/h ab. Wohl als Denkzettel, weil er zuvor so lange hinter des Lastkraftwagen fahren musste. Ein hinterer Lkw wäre ohne zu bremen wohl in den vorderen gerauscht. Der Angeklagte soll dann wieder beschleunigt und auf der linken Spur mit gar nur 40 Stundenkilometern den anderen Lkw genötigt haben, der kurz zuvor die Spur wechselte, um nicht am Vordermann hängen zu bleiben. Wieder soll der 44-Jährie danach beschleunigt und nochmals den anderen 40-Tonner ausgebremst haben. Die Lkw-Fahrer erstatteten Anzeige, gegen den Strafbefehl legte der Angeklagte Einspruch ein.
Zunächst zu den Zeugenaussagen der Lkw-Fahrer: Der eine, 26 Jahre alt und aus Borken in Westfalen, fuhr aus München Richtung Heimat und bestätigte die Anklage im vollen Umfang. „Der ging direkt vor mir volles Rohr in den Anker.“ Schon als er hinter ihm fuhr, soll der Angeklagte gehupt und mit der Lichthupe auf sich aufmerksam gemacht haben. Der 26-Jährige bremste derart und sprach vom Glück, dass sein Hintermann nicht auf ihn auffuhr. „Als der Kollege an mir vorbei fuhr, ging das Spiel los.“ Über zehn Kilometer soll der Angeklagte im fliegenden Wechsel beide ausgebremst haben. Der 47 Jahre alte Fahrer aus Rheine wurde von seinem Kollegen vor dem Bremsen über Funk gewarnt. „Ich musste links ausscheren und bin froh, dass ich heute noch hier stehe. Das war so rabiat, wir können am 26. Januar unseren zweiten Geburtstag feiern“, schilderte er mit deutlichen Worten, wie er nur noch 40 km/h auf dem Tacho hatte, als er schließlich selbst ausgebremst wurde. „Und das auf der Überholspur der Autobahn…“
Die Geschichte hat zwei Seiten, die andere klingt kurios und führte letztlich dazu, dass die Verhandlung unterbrochen werden musste. Denn der Angeklagte hatte eine Ausrede. Der Turbolader seines Autos ließ durch ständige Blockaden immer mal wieder kein Beschleunigen zu. Wegen dieser Leistungsverminderung musste er mehrfach eine Werkstatt aufsuchen, ohne dass ihm aber geholfen werden konnte. Am besagten Tag fuhr er mit seiner schwangeren Verlobten von einer Messe in Österreich zurück. Als er die Lkws überholt hatte und wieder rechts einscherte, „da ließ die Leistung nach“. Er konnte nicht mehr beschleunigen, der Lkw soll bis auf einen Meter auf ihn aufgefahren sein. Deshalb machte er den Warnblinker an, musste den Zündschlüssel umdrehen und den Motor neu starten. Schon unterwegs sei das zwei, drei Mal passiert.
Letzlich verständigte auch der 44-Jährige die Polizei. Aber das aus einem ganz anderen Grund. Denn von weiter hinten kamen zwei weitere Lkws, die zu viert letztlich den Angeklagten in die Zange nahmen, ihn auf der Standspur zum Stehen brachten. „Einer kam bei Minusgraden im Unterhemd auf uns zu und schlug zehn Minuten auf unser Auto ein. Der war hammeraggessiv und stand sicher unter Drogen. Ich hatte Todesangst.“ Seine Mitfahrerin bestätigte das: „Ich hatte Angst, dass die uns von der Straße drücken. Ich dachte, die schlagen die Scheibe kaputt und ziehen uns aus dem Auto. Ich hatte Angst um mein ungeborenes Baby“, sagte die 29-Jährige, mittlerweile Mutter des gemeinsamen Kindes. Und weiter: „Wir wollten doch einfach nur nach Hause und niemandem Schwierigkeiten machen.“
Der Angeklagte will nach dem ersten Leistungsabfall gar nicht mehr auf die linke Fahrspur gewechselt sein, was der dort anbrausende Lkw-Fahrer aber eindeutig so schilderte. Er hatte einen Beifahrer an Bord, der als Zeuge aber nicht geladen war. Genauso lag seine Tachoscheibe nicht vor, die das Abbremsen auf 40 Stundenkilometer wohl bestätigen dürfte. Für weitere Nachermittlungen setzte die Richterin die Verhandlung deshalb aus. In Schweinfurt wird man sich also in ein paar Monaten wieder treffen. Dann wird auch der Lkw-Fahrer als Zeuge gehört, ein Ausländer, dem die Schläge auf´s Auto vorgeworfen werden. Diesmal reiste er umsonst an, ebenso eine Dolmetscherin.
Gegen ihn wird anderweitig deshalb ermittelt, weshalb auf ihn genauso wie auf die anderen zwei Fahrer aus Borken und Rheine eigene Verfahren in Schweinfurt warten. Jeweils wegen Nötgung und das Einklemmen betreffend. Ein 52 Jahre alter Mann soll bei diesem Einkesseln ebenso dabei gewesen sein und war am Tag des kuriosen Autobahn-Treffens zudem leicht angetrunken. Der vierte beteiligte Lkw-Fahrer saß als Angeklagter des Folgeverfahrens vor der Richterin. „Ich wurde aber selbst ausgebremst und war eingeklemmt“, schilderte er seine Version, dass er eben nur zufällig Beteiligter des Vorfalls wurde. Beim Versuch des Ausparkens erwischte er den Spiegel eines anderen Lastkraftwagens. Der Handwerksmeister aus Frammersbach bestätigte, dass der 52-Jährige nicht zu den „Nötigern“ gehörte. Dieses Verfahren wurde deshalb schnell eingestellt.
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