NotrufSlider

„Sternhagelvoll“ bei einer Keilerei, dazu ein massives Suchtproblem: Das Gericht hat´s nicht leicht mit dem Angeklagten

SCHWEINFURT / BAD KISSINGEN – Die Beweislage dieser Taten, die im Bad Kissinger Obdachlosenmileu spielen, stellt sich für das Berufungsgericht schwierig dar: Der eine Zeuge kürzlich verstorben, der andere spurlos von der Bildfläche verschwunden und die Ausführungen des vielfach einschlägig vorbestraften und drogensüchtigen Angeklagten geben eher zum Stirnrunzeln Anlass…  Erst in der Fortsetzungsverhandlung vor der 3. Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt wird entschieden werden können, ob der arbeitslose Kasache „in den Bau“ wandert oder in einer geschlossen Einrichtung untergebracht wird.

Doch der Reihe nach: Am 03. Juni letzten Jahres unternimmt der 45-Jährige geschiedene Mann einen Einkaufsbummel mit zwei weiteren Bewohnern eines Bad Kissinger Obdachlosenheims in einen Baumarkt der Kurstadt, um einen Kabelverteiler für einen Fernseher zu kaufen. Die drei Männer sind dabei „sternhagelvoll“. Im Anschluss an den Besuch kommt es zum Streit; weil die beiden anderen Obdachlosen dem Angeklagten vorwerfen, das Elektrogerät gestohlen zu haben. Es kommt zu einer Schlägerei. Die Anklage wirft dem Angeklagten vor, dem einen – nämlich dem später wegen Herzversagen und nicht infolge der Verletzungen aus dieser Tat (!) Verstorbenen – mehrmals ins Gesicht geschlagen zu haben. Dieser bestreitet das und behauptet, sich nur verteidigt zu haben.

Der Angeklagte machte sich im Anschluss an die Keilerei vom Acker, fährt wenige hundert Meter mit seinem Rad, bis ihn die Polizei aufgreift. Die spätere Blutentnahme ergibt bei ihm einen Wert von 1,3 Promille (zurückgerechnet), was ihm zusätzlich die Anklage wegen Trunkenheit im Verkehr beschert. Doch der lange Tag hat noch kein (strafrechtliches) Ende für den Angeklagten gefunden. Zurück in der Obdachlosenunterkunft gerät er wieder mit seinen ehemaligen Gefährten in Streit. Er soll dem einen mit einer Metallkleiderstange auf den Kopf geschlagen und dem (später) Verstorbenen so eine große Platzwunde auf dem Kopf verpasst haben. Die Polizei wird herbeigerufen, auch der Rettungsdienst. Der Verletzte erstattet Strafanzeige, die er später wieder zurücknimmt.

Der Angeklagte bestreitet die Vorkommnisse, trägt vor, er habe sich nur gegen einen Messerangriff verteidigt. Die Beweislage stellt sich für das Gericht schwierig dar. Es vernimmt den ehemaligen Vernehmungsbeamten und lässt die Aussage des Verstorbenen aus dem Vorprozess verlesen. Auch die damalige Staatsanwältin wird befragt, diese kann sich aber auch nicht mehr an das damalige Aussageverhalten des verstorbenen Zeugen erinnern. Die anderen Taten sind dem zweifachen Familienvater, der seit 2000 in Deutschland wohnt, leichter nachzuweisen. Er soll mehrere Packungen Tabak sowie zwei Flaschen Wodka in Supermärkten in Bad Kissingen gestohlen haben, um seine Heroinsucht zu finanzieren. Er räumt dies ein. Diese Diebstähle sind bei dem Mann der bewährte Weg, sich Geld für seine Drogensucht zu verschaffen, denn die Strafakten aus anderen Verfahren, die sich neben dem Richtertisch türmen, haben eine stattliche Höhe erreicht. „Gürteltier“ nennen die Juristen diese Aktenbündel, die nur mithilfe von Bändern zusammengehalten werden können. Daher komme auch eine „Gewerbsmäßigkeit“ in Betracht, was ein besonders schwerer Fall des Diebstahls sei, was der Staatsanwalt bissig zu bedenken gibt.

Acht Vorverurteilungen weißt das Vorstrafenregister des gelernten Berufskraftfahrers auf; zuletzt saß er für zwei Jahren im Gefängnis. „Sie haben ein massives Suchtproblem“, hielt der Richter dem Angeklagten entgegen, der für sich eine offene Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wünschte, aber bislang bereits sieben Entgiftungskuren und das Methadon-Programm abgebrochen hatte. Dass in seinem Fall wohl nur eine geschlossene Unterbringung mit einer langjährigen therapeutischen Begleitung in Betracht komme, ließ der Richter offen durchblicken. Es solle nun aber versucht werden, den anderen verschwundenen Obdachlosen aufzuspüren, um die Körperverletzungshandlungen aufzuklären, um die geplante Unterbringungsanordnung hieb- und stichfest zu machen. Der Fortsetzungstermin ist für den 25.09.2012 vorgesehen.

Christopher Richter für inundumsw.de




NA ist ein Produkt der 2fly4 Entertainment
Alle Angaben ohne Gewähr!
Fotos sind ggf. beispielhafte Symbolbilder!
Kommentare von Lesern stellen keinesfalls die Meinung der Redaktion dar!

Schreibe einen Kommentar

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Pixel ALLE Seiten