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„Mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen“: Der DGB sieht enormen Nachholbedarf bei den Löhnen

Schweinfurt – Es ist mittlerweile schon Tradition, dass der Deutsche Gewerkschafts-Bund (DGB) der Region Schweinfurt – Würzburg zu seiner Jahrespressekonferenz einlädt. Nach einer allgemeinen Einschätzung des Regionsvorsitzenden Frank Firsching zur wirtschaftlichen Lage haben gleich fünf Geschäftsführer der Gewerkschaften über die wesentlichen Tarifforderungen ihrer Branchen berichtet. Und über Sorgen, Nöte und natürlich auch Hoffnungen in den einzelnen Berufsgruppen.

64.000 Mitglieder haben die Gewerkschaften in der Region. „Wo Gewerkschaften stark sind, da ist die tarifliche Entwicklung wesentlich besser. Mitglied werden lohnt sich“, weiß Firsching, der grundsätzlich aber „einen massiven Nachholbedarf bei Löhnen“ sieht. Der Reallohnverlust beträgt durchschnittlich rund vier Prozent seit dem Jahr 2000. „Die Arbeitgeber haben das Geld abgeschöpft. Jetzt versuchen wir, die Löhne deutlich zu erhöhen“, kündigte Firsching an. Laut IHK brumme das Konjunktur-Barometer in der mainfränkischen Wirtschaft, „also müssen die Gewerkschaften nicht zurückstecken“. Global gesehen sei aber klar, dass Deutschland inländisch einen möglichen Export-Rückgang auffangen müsse. „Denn wenn in Griechenland die Leute 30 Prozent weniger verdienen, dann werden sie sich kaum einen neuen Audi kaufen„. Gleichwohl hätte das Unternehmens- und Vermögenseinkommen seit 2000 und bis 2010 um 45 Prozent zugenommen, das Arbeitnehmerentgelt aber nur um 16 Prozent. Zahlen aus Deutschland, die von der Hans Böckler-Stiftung kommen.

2012 stehen zahlreiche Tarifrunden an. Bei der Gewerkschaft Nahrung . Genuss – Gaststätten (NGG) wollen Brauerei-Mitarbeiter, das Fleischerhandwerk, Bäcker und Konditoren mehr Geld. Bei den vereinten Dienstleistungen (ver.di) ist das Thema Deutsche Telekom gerade aktuell, warten das Bankgewerbe und beim Öffentlichen Dienst beispielsweise die Sparte Nahverkehr auf die Runden. Ab Mai wird ver.di auch für die Busfahrer der Stadtwerke Schweinfurt mehr Lohn fordern. „Sechs bis acht Prozent wären aufgrund des absoluten Nachholbedarfs gerechtfertigt“, sagt der stellvertretende Schweinfurter Geschäftsführer Sinan Öztürk. Schlichtung, Urabstimmung, Arbeitskampf – das alles hält er für nicht ausgeschlossen. Und klar ist: „Die Kollegen betrachten den Bereich der IG Metall!“

Deren Bevollmächtigter Peter Kippes weiß um die gute Stellung der Gewerkschaft gerade in Schweinfurt, wo acht Prozent mehr Lohn „nach den außerordentlich erfolgreichen letzten zwei Jahren eigentlich recht und billig wären“. Auf 6,5 Prozent aber wird sich für die Gesamtregion die Forderung belaufen. Verbunden mit ergänzenden Rahmenforderungen: Unbefristete Übernahme der Ausgelernten und „equal pay“, also: gleicher Lohn auch für Leiharbeiter. Wenn notwendig, denn plant die IG Metall Aktionen und ist auch zu einem unbefristeten Arbeitskampf bereit.

Die IG BAU (Bauen-Agrar-Umwelt) hat lau Frankens Regionalleiter Hans Beer außer beim mainfränkischen Weinbau zwar keine Tarifrunden vor sich. 2011 sei aber „eines der besten Jahre in der Bauwirtschaft“ gewesen, „die Arbeitnehmer wollen etwas davon abhaben“. Für 2012 hat Beer sich vorgenommen, etwas gegen die Altersarmut für Bauarbeiter zu unternehmen, die teils von weniger als 900 Euro Rente leben. „Wenn´s ungerecht sein soll, dann für möglichst wenige“, zitierte er Erwin Pelzig. Die IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) steht vor Tarifrunden für die Feinkeramische, die Chemische und die Kunststoff verarbeitende Industrie. Betroffen sind laut Vertreter Sascha Spörl u. a. die Firmen Saint-Gobain (Gerolzhofen), Takata Petri (Bad Kissingen), Fresenius (Schweinfurt) oder Kneipp (Ochsenfurt). Orientieren wolle man sich an den Entwicklungen der Unternehmen, fünf bis zehn Prozent mehr Geld fordern. Wichtig aber auch: Ausbildungsplätze für die Jugend und eine tariflich festgelegte Teilzeitrente.

Die Gewerkschaft der Polizei akzeptiert laut dem Kreisvorsitzenden Hajo Lehr künftig im Beamtenbereich keine Nullrunden mehr, wenn Ende 2012 der Tarifvertrag der Länder ausläuft. Von „Warteschlangen“ bei den Beförderungen spricht Lehr, weil besser datierte Stellen fehlen. Mehr Lohn geben müsse es auch für die Wagenpfleger, die für die Verkehrs- und Betriebssicherheit der Pkws garantieren, deren Anforderungen gestiegen sind und deren Job weit über den eines Autowäschers hinausgehen. „Die schauen mit dem Ofenrohr ins Gebirge“, verglich Lehr, „es kann ja nicht sein, dass die mit 1300 Euro heimgehen.“




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