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„Verfassungspatrioten“ gegen die „Folklore-Partei“: Erlebnisse bei den Auftritten von Horst Seehofer und Christian Ude, ein Mini-Rock und ein Bestechungsversuch

OBERWERRN / SCHWEINFURT – Horst Seehofer UND Christian Ude nahezu zeitgleich in der Region? Das passierte tatsächlich am „Politischen Ascherdonnerstag“, wie die SPD ihre Veranstaltung nannte, während die CSU traditionell schon den „politischen Aschermittwoch am Tag danach“ veranstaltet. Zum 32. Mal bereits in der Sporthalle in Oberwerrn, wohin es Ministerpräsident Seehofer verschlug. Rund eine Stunde später kam Ude ins evangelische Gemeindehaus nach Schweinfurt. Die beiden inundumsw.de-Autoren Michael Horling (Oberwerrn) und Christopher Richter (Schweinfurt) haben den Abend im Stenogramm und mit Bildern festgehalten.

17:30 Uhr: Die Sporthalle des SV Oberwerrn ist bereits voll. Von Horst Seehofer noch keine Spur. Doch, halt: „Schwemmelsbach grüßt den Horst“ steht auf einem Banner auf dem Balkon. Unten gibt´s Heringe mit Kartoffeln. Überschaubare Portion für 4.90 Euro.

17:56 Uhr: Norbert Hart vom CSU-Ortsverband Oberwerrn, dritter Bürgermeister der Gemeinde Niederwerrn, testet die Lautsprecheranlage: „1, 2, 3…!“ Sie braucht heute ihren Namen: Denn im Saal ist es jetzt schon sehr laut.

18:01 Uhr: Pünktlich fährt der Ministerpräsident vor. Innenstaatssekretär Gerhard Eck, Bezirkstags-Kandidat Stefan Funk und Schweinfurts Oberbürgermeister Sebsatian Remelé gehören zu den Empfängern vor den Halle. „Nicht lange draußen bleiben“, lautet die Anweisung der Organisatoren. Seehofer hat eh Probleme mit der Stimme. Und draußen ist es kalt.

18:11 Uhr: Im Nebenraum der Gaststätte gibt es vorab Radio- und TV-Interviews. Nahe der Theke des griechischen Restaurants sitzen ein paar ältere Herren und scheinen sich wenig zu interessieren. „Ist das der SPD-Stammtisch?“, fragte OB Remelé. „Wir haben keine Karten mehr bekommen“, erklären die Herren. Remelés Nachfrage passt zur Veranstaltung: „Nicht mal auf dem Schwarzmarkt?“

18:26 Uhr: Die Blaskapelle der Lebenshilfe Augsfeld spielt das Frankenlied beim Einmarsch. Alle stehen auf und klatschen. Auch der SPD-Landrat Florian Töpper.

18:34 Uhr: Nachdem alle wichtigen Personen vorgestellt wurden, fällt auf: Die Blaskapelle aus Augsfeld bekam den größen Applaus.

18:36 Uhr: Nur Gerhard Eck spricht ein Grußwort. Angesichts seiner langen Rede am Tag zuvor in Oberwerrn und dem straffen Zeitplan freut das die Besucher. Wieder Applaus.

18:41Uhr: Gerhard Eck erklärt, dass die Bundestagsabgeordnete Dr. Anja Weisgerber entschuldigt fehlt, weil sie Nachwuchs bekommen hat. Der Innenstaatssekretär ist sich also anscheinend sicher, dass Weisgerber das Mandat gewinnen wird. Eck erklärt zudem, dass Seehofer bereits zum fünften Mal zu Gast in Oberwerrn ist

18:45 Uhr: Das evangelische Gemeindehaus in Schweinfurt ist schon gut gefüllt. Wahlhelfer verteilen große Winkwimpel mit der Aufschrift: „Genau! Ude.“ Einige Gäste laben sich an Leberkäse und Weißbier.

18:46 Uhr: Gerhard Eck bindet den SPD-Landrat Florian Töpper in sein Grußwort ein und erklärt, dass der nicht deshalb bald schon fluchtartig den Saal verlassen werde, weil ihm die Rede des CSU-Ministerpräsidenten nicht gefällt. Er muss ja noch zur SPD und zu Christian Ude nach Schweinfurt. „Nimm den Eindruck von den fast 1000 Gästen hier in Oberwerrn mit“, rät ihm der Innenstaatssekretär. Nun ja, angeblich sind es in Oberwerrn „nur“ 600 Leute…

18:52 Uhr: „Gottes Segen auf alle Wegen!“ Ecks Rede endet typisch für ihn. Danach: Blasmusik!!!

18:57 Uhr: Horst Seehofer betritt das Podest. „Gesunder Menschenverstand“ sie mit Eck in das Bayerische Kabinett eingezogen, lobt er und preist ihn als „hartnäckigen Vertreter eurer Interessen in München“.

18:59 Uhr: Vom Bestechungsversuch spricht Seehofer, weil ihm Töpper eine Flasche Wein überreicht hatte. „Ich hoffe, es ist ein guter!“ Seehofer meint damit den Wein, lobt indirekt aber auch Schweinfurts neuen Landrat. „Ein Ministerpräsident hat ihn zu respektieren, wenn er gewählt ist. Es kommt immer das Land zuerst, dann unsere beiden Parteiein!“ Was Seehofer Töpper mit auf dem Weg gibt nach Schweinfurt: „Ich wünsche Ude genauso viel Erfolg, dass ich mich nicht ärgern muss. Richten sie das dem Oberbürgermeister unserer Landeshauptstadt aus!“

19:03 Uhr: Seehofer sorgt für einen Raunen im Publikum: Zum fünften Mal bereits sei er „aus den Niederungen des Donautals hinaufgestiegen zu Bayerns Elite“. Über 2000 Gemeinden habe Bayern, wenn er jeden Tag eine besuchen würde, bräuchte er alleine dafür sechs Jahre. Warum fünf Mal Oberwerrn? Wegen CSU-Veteran Hans Mock! Es mache das Leben angenehmer, wenn man bei seinen Einladungen gleich zusage und nicht lange diskutiere.

19:06 Uhr: Solange wie Edmund Stoiber am Tag zuvor in Passau wolle er nicht reden, verspricht Seehofer und erzählt von einer Veranstaltung mit sieben Grußworten. „Sechs Politiker, einer redete länger als der andere. Der siebte war ein Pater, als alle schon erschöpft waren.“ Und was sagte der? „Ein Grußwort ist kurz wie ein Mini-Rock: Kurz, erfasst aber alles wesentliche!“ Seehofers Befürchtung: „Ich hoffe, dass ich jetzt nicht in die gleichen Schwierigkeiten gerate wie Brüderle. Sonst nehme ich ales gleich wieder zurück.“

19:08 Uhr: Münchens Oberbürgermeister und Spitzenkandidat der Bayern-SPD betritt in Schweinfurt die Halle, umrahmt von der Europaabgeordneten Kerstin Westphal und Schweinfurts Bürgermeisterin und SPD-Chefin Kathi Petersen.

19:10 Uhr: „Bayern ist das stärkste Land in Europa“, sagt Seehofer und holt dann aus zu einer üblichen Rede. Vorher sagt er noch, dass er seit fünf Jahren mit großer Freude an der Spitze des Freistaates stehe und das vielleicht auch noch länger machen werde…. Im September entscheidet der Wähler. Landrat Florian Töpper entscheidet jetzt schon: Raus aus der Oberwerrner Halle und ab nach Schweinfurt.

19:11 Uhr: Kathi Petersen tritt im evangelischen Gemeindehaus ans Mikro, begrüßt die rund 450 Gäste.

19:15 Uhr: Würzburgs OB Georg Rosenthal betritt den Saal.

19:18 Uhr: Bundestagskandidat Ralf Hoffmann, der Honky-Tonk-Macher, kündigt Ude als Bayerns beliebtesten Politiker an. Es gibt einen Anfangsapplaus von 19 Sekunden. Vorredner Uwe Hück, der Vorsitzende des Porsche-Betriebsrates bringt es nur auf einen Vorapplaus von 12 Sekunden.

19:24 Uhr: Hück brüllt ins Mikrofon: „Es wird Zeit, dass in Bayern ein Wechsel stattfindet“. 8 Sekunden Applaus. Dann ergänzt der ehemalige Hauptschüler und Waisenkind: „Wir wollen eine Politik, die aus Schwachen Starke macht!“  Dafür gibt es 13 Sekunden Applaus.

19:30 Uhr: Hücks Stimme überschlägt sich: „Allen Auszubildenden soll man einen unbefristeten Arbeitsvertrag geben.“ Man müsse die Würde im Arbeitsleben wiederherstellen, sie müsse unantastbar sein. Tosender Applaus.

19:39 Uhr: Hück ruft: „Bayern muss wieder frei, sozial und gerecht werden!“ (16 Sekunden Applaus)

19:44 Uhr: Das Publikum regiert mit 44 Sekunden Applaus, als er ruft: „Lasst uns Bayern von den schwarzen Wolken befreien!“ Ude betritt die Bühne. Es wird weiter applaudiert.

19:45 Uhr: Der neue Superstar der regionalen SPD:  Neu-Landrat Florian Töpper wird in Schweinfurt begrüßt.

19:47 Uhr: Ude weiß, dass er Hücks Powerrede nicht wird toppen können, gibt dies zu.  Er lobt Töpper als Musterbeispiel eines Siegers, dem vorher einige den Triumph gegen einen übermächtigen Gegner nicht zugetraut haben. Er spannt den Bogen zur Bayernwahl: „Wir gewinnen lieber Wahlen statt Umfragen, die kann man nicht kaufen!“

19:51 Uhr: Ude geißelt die Klage des CSU-regierten Freistaates Bayern gegen den Länderfinanzausgleich, weist Kritik an seiner SPD zurück: „Die CSU hat den Länderfinanzausgleich doch einst selber ausgehandelt!“

19:54 Uhr: Ude scherzt, dass er nun wisse wo Aschaffenburg liegt und merzt seinen ehemaligen Fauxpas im Wahlkampf aus.

19:58 Uhr: Ude nennt seine Partei die „Verfassungspatrioten“, das Gegenmodell sei die Folklore-Partei CSU.

20:04 Uhr: Ude wirkt etwas müde, er hat die Rede tags zuvor auch in Vilshofen gehalten. Er erinnert die CSU an das „S“ in ihrem Namen und bemängelt mangelnde christliche Soziallehre in der praktischen Politik der Regierungspartei. Waisen, Flüchtlingskinder, ältere Pflegefälle – alle werden von der CSU im Stich gelassen.

20:08 Uhr: Ude räumt ein, dass er die Standfestigkeit der CSU in früheren Jahrzehnten mal bewundert habe, nun sei es nur noch ein Häufchen „zitternder Espenlaub in der Abendsonne.“ Er benennt die vielen Kehrtwenden: Atompolitik, Donauausbau, Studiengebühren. Trotz endlosen Schachtelsätzen gibt es immer wieder Zwischenapplaus. Die Zuhörer winken mit den großen Wimpeln.

20:24 Uhr: Ude wechselt vom Landes- zum Bundestagswahlkampf. Fordert eine internationale Finanzmarkttransaktionssteuer. Das Einzige, was der Union einfalle, sei griechischen Krankenschwestern und Hafenarbeitern den Lohn zu kürzen.

20:30 Uhr: Die Union könne nur von der SPD abschreiben, stichelt der Kandidat. „So haben sie auch einen Doktortitel nach dem anderen gemacht!“

20:35 Uhr: Ude zieht gegen Niedriglöhne, Leiharbeit und Werkverträge, die keine soziale Absicherung kennen, zu Felde. Das bringt ihm viel Applaus ein. Als Regierungschef werde er mit allen rechtlichen Mitteln dagegenwirken, kündigt er an.

20:45 Uhr: Der Redner weiß, dass die Umfragen in Bayern keine Wechselstimmung prognostizieren. Er fordert seine Genossen auf, sich davon nicht den Schneid abkaufen zu lassen. Noch liegen sieben Monate Wahlkampf vor seiner Partei.

20:52 Uhr: Ude bekommt über zwei Minuten Schlussapplaus. Es gibt ein nettes Gruppenbild mit Hück, Bürgermeisterin Kathi Petersen, Landrat Florian Töpper und Bundestagskandidat Ralf Hoffmann. Weiterer Applaus.

20:54 Uhr: Ralf Hoffmann, der Honky-Tonk-Macher, klingt weitaus dynamischer als  Ude. Er motiviert seine Anhänger, dass es noch nie so einen beliebten Spitzenkandidat der Opposition gegeben habe. „Wir haben es in der Hand, es zu schaffen!“

20:56 Uhr: Ude und Hück bekommen einen Weinfestführer der Region und das Schweinfurt-Promotion-Video zum Dank geschenkt.

20:58 Uhr: Der SPD-Bezirksvorsitzende, Waigoldshausens Bürgermeister Peter Pfister, schließt die Versammlung. In Oberwerrn war da schon längst Schluss. Doch es ging dort ja auch eine Stunde eher los.



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